Autorenporträt – Julius Evola

In Italien zeichnet sich derzeit das Entstehen einer Rechtskultur (Cultura di destra) ab, und es dürfte daher angebracht sein, einmal einen Blick auf Persönlichkeit und Werk dessen zu werfen, der lange Jahre hindurch als der “Meister im Hintergrund” des italienischen Konservativismus galt: Julius Evola. Evola blieb als Autor ein Einzelgänger, isoliert von der akademischen Welt und jenen Zirkeln, die in Italien nach altem Herkommen, die “Kultur” unter sich ausmachen. Doch hat seine Doktrin auf der anderen Seite eine Generation junger Rechtsintellektuer geformt.

1898 in Rom geboren nahm Evola als junger Mann am Ersten Weltkrieg teil, wenngleich seine Sympathien auch damals schon mehr der deutschen Seite galten. In den Nachskriegjahren durchlebte er eine existenzielle Krise. Er begab sich auf die Suche nach sich selbst: damals machte er es sich zur Lebensregel, keine Bindung, sei sie familiärer oder gesellschaftlicher Art, zu akzeptieren und jede Erfahrung nur deshalb zu machen, um sie hinter sich zu lassen.

Mit 20 Jahren spielte Evola als Freund von Tristan Tzara eine führende Rolle unter den Dadaistens Italiens; einige seiner damals gemalten Bilder werden heute noch ausgestellt. Aber jene “innere Stille, tonlos und voll eisigen Feuers, eines Ruysbroeck oder eines Meister Eckhart”, die er in der abstrakten Kunst zu finden suchte, führte ihn bald auf andere Positionen. Zwischen 1922 und 1925 ging er in die Philosophie auf und schrieb zwei umfangreiche Werke: Teoria dell’individuo assoluto und Fenomenologia dell’individuo assoluto. In ihnen kritisiert er unter Bezugnahme auf die unsprünglichen Quellen des Idealismus die flachen neo-idealistischen Philosophie Italiens (Croce und Gentile). Die Philosophie Evolas nimmt den unsprünglichen Quellen Anspruch des Idealismus – alles auf das Ich zu gründen – wieder auf und verbindet ihn mit dem französischen Personalismus (Lachelier, Secretan, Lagneau) und der Wissenschaftskritik von Boutroux und Renouvier. Auf dieser Basis entwickelt Evola einen “magischen Idealismus”. Unter Berufung auf Novalis, aber auch auf Nietzsche, Weininger und Michaelstaedter behauptet Evola die absolute Kraft und die Autarkie des Ich. Die Philosophie Evolas weckte das Interesse einiger Gelehrter wie Adriano Tilgher, eine Abhandlung wurde auch ins Deutsche übersetzt (Die drei Epochen des Gewißheitsproblems, in “Logos” 1931), doch blieb die akademische Welt im großen und ganzen feindselig. Auf der anderen Seite hatte Evola über seine Saggi sull’Idealismo magico das Wort Lagneaus gesetzt: “La philosophie c’est la reflexion aboutissant à reconnaitre sa propre insuffisance et la necessité d’une action absolue partant du dedans”.

Dieser “von innen ausgehenden absoluten Aktion” widmete Evola seine weiteren Studien, beginnend mit den Initiationstechniken und den okkulten Disziplinen. Es entstanden L’uomo come potenza (1925), La tradizione ermetica (1931), Maschera e volto dello spiritualismo contemporaneo (1932). Evolas Buch über den Buddhismus La dottrina del risveglio fand die Anerkennung der Pali-Society in London.

Mittlerweile war Evola in Verbindung mit dem großen Meister der Esoterik René Guénon getreten. Im direkten Kontakt mit Guénon und unter Bezugnahme auf seine Lehre von einer ursprünglichen Tradition schrieb Evola Rivolta contro il mondo moderno. Dieses Buch ist das Hauptwerk Evolas, eine Geschichtsphilosophie, in der die Welt der Tradition mit den Werten des Heiligen und des Ewigen der Welt der Modernen mit den Kriterien der Nützlichkeit und der Zeitlichkeit gegenüberstellt wird. Evola sieht die Ursprünge der modernen Welt im christlichen Egalitarismus, im bürgerlichen Rationalismus und in der weltlichen Kultur der Reinassance. Nach der letzten europäischen Zivilisation auf der Grundlage der Tradition – der mittelalterlichen und ghibellinischen – setzt ein Prozeß der Dekadenz ein, der sich mit der französischen und der russischen Revolution überschlägt. Das 1934 geschriebene Buch schließt mit einem Ausblick auf das von den amerikanischen und sowjetischen Kolossen bedrohte Europa.

Ins Deutsche übertragen (Erhebung wider die moderne Welt) erregt das Buch große Aufmerksamkeit. Gottfried Benn schrieb in “Die Literatur”, es handele sich um “ein Buch, dessen Idee samt ihrer Begründung die Horizonte nahezu aller europäischen Probleme in etwas bisher Unbekanntes und Unsichtbares weiterrückt; wer das Buch gelesen hat wird Europa anders sehen”. Die Beschäftigung mit der europäischen. Krise brachte Evola in die Nähe jener konservativen Zirkel um das Jahr 1930, die gluaben, bestimmte positivere Aspekte des Faschismus ausnutzen zu können. Ohne der faschistischen Partei beizutreten stand Evola in Kontakt mit jenen faschistischen Gruppen, die eine “zweite Revolution” herbeizuführen versuchten. Diesen Gruppen widmete er sein Buch Imperialismo pagano, das unter dem Titel Heidnischer Imperialismus ins Deutsche übersetzt wurde. In Wien trat Evola in Verbindung mit Othmar Spann und Walter Heinrich; in Hamburg mit Wilhelm Stapel und der Gruppe um das “Deutsche Volkstum”; in Berlin mit Heinrich von Gleichen, der ihn zu zwei Vorträgen in den “Herrenklub” einlud. Er arbeitete auch an der “Europäischen Revue” des Prinzen Karl Anton von Rohan mit. Aus dieser Zeit stammt auch seine Beschäftigung mit der Rassenlehre, die bei ihm die materialistischen und kollektivistischen Züge verlor und unter dem Blickwinkel einer qualitativen und aristokratischen Welt gesehen wurde.

Das Kriegsende überraschte Evola in Wien. Während die Stadt von den Russen angegriffen wurde, wurde Evola durch eine Bombe verwundet und an beiden Beinen gelähmt. Nach drei Jahren in österreichischen Krankenhäusern kejrte er 1948 nach Rom zurück. Dort inspirierte er eine neue Generation von Rechtsintellektuellen, die sich um das Movimento Sociale Italiano gruppierten. Für diese jungen Leute schrieb er Gli uomini e le rovine, ein Buch, das in 10 Jahren dreimal wiederaufgelegt und in das Französische übersetzt wurde. Gli uomini e le rovine möchte die Ausgangspunkte im politischen Bereich ausfindig machen, die nach der Katastrophe, die die konservativen Kräfte verschlungen hatte, noch vorhanden waren. Evola setzt der bürgerlichen Idee der “Gesellschaft” die aristokratische des “Staates” entgegen und strebt ein vereintes Europa unter dem Symbol des Ghibellinismus an. Doch führte der politische Stillstand am Ende der 50er Jahre Evola zur Beschäftigung mit den individuellen Lösungen von Lebensfragen. Er wendet sein Interesse jenen individuellen Lösungen zu, die es ermöglichen, unversehrt die Steinwüsten der modernen Welt zu durchqueren. So entsteht Cavalcare la tigre, das seinen Titel vom orientalischen Spruch “wer auf dem Tiger reitet, kann nicht abspringen” nimmt und einte Art Manifest eines “Nihilismus von Rechts” darstellt. Evola zeichnet hier das Bild eines differenzierten Menschen, der fähig ist, in einer Welt zu leben, die nicht die seine ist, ohne an ihr zugrundezugehen, fähig, aus jedem Gift ein Gegengift zu machen. Daß Evolas “Traditionalismus” nichts mit einem flachen Moralismus zu tun hat, zeigt sich auch in seinem Buch über den Sexus, das auch ins Deutsche übertragen wurde (Metaphysik des Sexus, Klett Verlag 1961). In ihm spricht Evola vom Sexus als einer lezten Möglichkeit der Öffnung zum Ewigen und Unbedingten und verurteilt die regressiven und kollektivistischen Formen der Sexualität. Mit 74 Jahren ist Julius Evola durch die Kraft seiner Persönlichkeit und die Klarheit seiner Orientirung noch immer der Mittelpunkt der jungen Intellektuellen der italienischen Rechten.

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Sorge: Criticón n. 10, (1972), pp. 52-53.

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